Thomas Maos - Cover
 

Thomas Maos - chill in - drill out


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Der Film in meinem Kopf
Thomas Maos `Klangexperimente definieren die Grenzen neu

Tübingen (tio): Thomas Maos kann laute Musik machen. Kann die Ohren in Grenzbereiche führen, geleitet freilich immer vom Impetus eines Hörforschers, eines Grenzenausloters, eines Gewohnheitenkillers, eines Andersseienden. Mit dieser Attitüde kommt man auch in einem konservativ geführten Bundesland weit, der Gitarrist bekam vergangenes Jahr ein Stipendium der baden-würtembergischen Kunststiftung. Was er daraus gemacht hat, passt in jeden handelsüblichen CD-Player: „Chill in – drill out“ Heißt die Scheibe, im Untertitel „contemporary pieces for electric guitar“ , zeitgenössische Stücke für die Stromgitarre also. Alles was auf der silbernen Scheibe ist, wurde in Echtzeit Live eingespielt. Und auch wenn es sich nicht so anhört: Es sind keine Töne nachträglich eingespielt oder Digital bearbeitet worden. Das sagt zumindest der Textauf der CD. Realzeit- Kompositionen also, keine PC-Bastelei.

 

Maos blieb bei seinem Impetus, aber das Produkt ist ein anderes: keine Noise-Musik im lauten Sinn, kein Lärm-Orkan, statt dessen meißt leicht klingende Gitarrenexperimente, Spielereien – ohne die Konnotation mangelnden Bedarfs. Klangfilme, die mit dem Sampler gedreht wurden, in der Hauptrolle die E-Gitarre, getarnt mit einer Verkleidung, die die Spur auf sämtliche andere Instrumente und Klänge lenkt, auf jeden Fall aber weg von den sechs Saiten. Es sind sich ewig wiederholende Szenen. Täglich grüßt die E-Gitarre und immer wieder ändert sich eine Kleinigkeit, kommt ein Detail zum Pinselstrich dazu, der sich zur Klanglandschaft ausweitet. Maos zieht die Pinselstriche mit allem, das sich zur Bearbeitung von Gitarrensaiten eignet: Das kann eine Perlenkette sein, ein Schneebesen, ein E-Bow natürlich oder einfach nur Gitarristenhände. Das Resultat hat mit Musik im herkömmlichen Sinne wenig zu tun: Häufig kann man das Geräusch nicht in Bezug zu seiner Quelle setzen und die

 

konventionellen Kategorien wie Harmonie, Rhythmus und Melodie gehen an Maos`Stücken vorbei. „Chill in – drill out“ ist kein Album, was man mal nebenbei zum affeekränzchen hört. Gut, das kann man auch, aber die Metarmophosen (so auch programmatisch benannt der erste Titel des Albums) fordern Aufmerksamkeit. Und es sind Stücke drauf, wie das beklemmende „I loved the twin towers“ das eine einzige Fläche in aufkratzendem dunkelgrau ist, eine flimmernde rückkopplungsfläche, und das die 9/11 – Stimmung trotz aller Abstraktion verblüffend realistisch einfängt. An Stromlinienohren wird die Qualität dieser Platte mit sicherheit vorbeirauschen. Wer aber bereit ist, sich ganz darauf einzulassen, wird sich mit Vergnügen in einem akustischen Neuland umhören. Und überall wird er dort andere Gitarristen fragen hören: “mein Gott, wie macht er das bloß?“

Schwäbisches Tagblatt, Dienstag 8.2.2005

 
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